eine kleine Auswahl aus meinen beiden Büchern:
BEWEGTE ZEIT und KUNST.MACHT.POLITIK.
Zähne zeigen
Solange du noch Zähne hast,
beiß zu!
Solange du noch Pläne hast,
gib keine Ruh!
Solange du noch Freunde hast,
bedichte sie.
Solange du noch Feinde hasst,
vernichte sie.
Solange du noch lachen kannst,
mach was daraus.
Solange du noch weinen musst,
weine zuhaus.
Solange du noch Hass empfindest,
such den Streit.
Solange du noch lieben kannst –
nutz deine Zeit.
Damit deine Seele nicht kotzen muss
Was bringt dir die Erkenntnis,
dass es Menschen gibt,
deren Aufgabe es eigentlich wäre,
ordentlich und korrekt ihre Arbeit
abzuliefern in ihren Amtsstuben und Behörden,
die dich aber leider parallel dazu,
mal offen und mal heimlich nur betrügen,
dich hintergehen
und ihre, vom Volk geliehene Macht
ganz einfach gegen dich, den Bürger wenden,
die dein Gerechtigkeitsempfinden
arg strapazieren und
die mit viel eingeübten „Tricks“
am Ende doch „obsiegen“.
Und du, du wehrst dich womöglich
verzweifelt gegen sie im Streit
und rebellierst noch
gegen diese Wand aus Ignoranz,
aus Arroganz und Dummheit.
Nein! Was du hier tust,
tust du ganz allein für dich,
damit deine kleine Seele
nicht so viel kotzen muss
und sich nicht quäle,
verzweifle und verliere –
über so viel Verachtung gegenüber
Menschen, Natur und Tiere.
Abstieg ins Nichts
Wer kein Ziel hat,
hat auch keinen Grund loszulaufen.
Wer keinen Weg beschreitet,
hat auch keinen Grund sich zu bewegen.
Wer sich nicht bewegt,
erstarrt, er löst sich auf
verschwindet;
niemand vermisst ihn.
Wer aber nicht vermisst wird,
ist bereits vergessen.
Wer vergessen ist,
war nie vorhanden.
Wer nie vorhanden war,
kann auch
nichts hinterlassen haben.
Und wer nichts hinterlassen hat,
hat nie existiert –
war also ein NICHTS.
Das Leben danach
Am Tag nach deinem Tod –
man wird sich noch an dich entsinnen –
wird gleich das kleine Ausmisten
in deinem Haus beginnen,
falls du noch liebe Menschen
hinterlässt.
Ansonsten steht schon fest:
der große Müllcontainer rollt
vor deine Tür und alles, deine Kunst,
dein ganzes Lebenswerk,
schnell raus damit und weg
auf einen Müllberg vor die Stadt, der Dreck.
So wird dein Haus dann über Nacht
rasch sauber, besenrein gemacht
und dann wird’s endlich wieder still.
Reg dich nicht auf! Gemach –
so ist nun mal das Leben
eben –
danach.
Totenasche über Jerusalem
Eine Hommage an die jüdische Dichterin Nelly Sachs
An der Jerusalemer Klagemauer
stehe ich im Schatten des kühlen Frühmorgens.
Es ist der Ort der Beter und der Hilfeschreier.
Aus den Ritzen der mächtigen zweitausend Jahre alten Steine
dringt beißender Rauch.
Geruch von verbranntem Fleisch.
Von Opfern.
Es ist aber kein Rauch zu sehen.
Es murmelt vor der Mauer nur unablässig wie Bienensummen.
Leichte Asche regnet herab.
Vom Jenseits in unsere Zeit.
Von den Verbrennungsöfen der Nazimörder
über die Steine und den großen Vorplatz der Klagemauer.
Die Morgenluft weht Kühle heran.
Ein kaum vernehmbares hohes Zirpen von Aschekörnchen,
die noch immer um den Erdball kreisen,
rieselt herab.
Jeder der hier seine Gebete und Hilfeschreie verrichtet,
hat diese dissonanten hohen Töne in den Ohren.
Auch die Schulkinder,
die zu so früher Stunde kollektive Gebete plappern
und junge Eheleute, die sich Segen erhoffen
und Geschäftsleute, die gute Geschäfte erflehen
und Touristen die nichts von alldem verstehen,
aber naiv neugierig staunen.
Sie alle werden bestäubt und betäubt
vom Aschekörnchenregen,
sind gesegnet und verflucht
von sieben mal sieben Millionen jüdischer Aschekörnchen
aus den Nazi-Konzentrationslagern hierher geweht.
Der Tod von 1200 Schweinen
Chinesischer Vers von Hai-jan: „Vieh hüten auf der Weide. Büffel, sie schwitzen vom Frühling bis zum Winter. Schlamm auf dem ganzen Körper und das Feld ist rigoros grün. Büffel, sie pflügen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Was sie fordern? Getreide für den Menschen. Büffel, sie käuen wieder die ganze Nacht. Was sie hoffen? Gute Ernte im goldenen Herbst.
Von was träumen die 1200 Schweine des Niederrhein-Bauern Henrichs
in den riesigen Fleischfabrikhallen der Deutschen Fleischindustrie?
Sie träumen davon, dem Bauern
einen möglichst hohen Preis für ihre Körper einzubringen,
wenn er sie heute hier schlachten lässt.
Und dass es keine Schweine-Seuchen geben möge,
weil der Bauer sonst kein Geld verdienen würde,
und die anderen Schweine alle getötet werden müssten,
ohne dass es dem Bauern etwas nützt.
Was hoffen die 1200 Schweine,
wenn sie – bei Hiebsreife –
aus ihren stählernen Stall-Käfigen getrieben werden,
mit Stöcken und Stangen auf die LKWs verladen,
auf lange Fahrten durch die Republik?
Die Schweine hoffen, dass die Veterinäre gerade Pause machen
und dass sie die lange Reise überleben,
denn der Bauer bekommt sein Geld nur für lebende Schweine;
die toten gehen zum Abdecker.
Was beten die restlichen der verbliebenen 1200 Schweine
in den Fleischfabrikhallen?
Sie beten, dass die Schlachter bei ihnen gleich beim ersten Mal
erfolgreich sind mit ihren Tötungsbolzen.
Und sie beten inständig, dass keiner derjenigen Menschen,
die später – wenn man sie in alle Bestandteile und Stücke zerlegt hat –
sie zum Essen bereiten und dann verspeisen,
sich darüber Gedanken machen:
über die hohe Konzentration von Antibiotika
in ihrem Körper
und über ihre Todesschreie
auf dem Todesmarsch
zu den Schlachtbänken der Fleischfabrikhallen der Welt….
Die große Welle
Genau in dem Moment,
in dem die riesige Tsunami-Welle
über Stadt und Atomkraftwerk Fukushima
hinweg rollte,
saß der alte Maler Hiroki (“großer Baum“)
im kleinen Zimmer
seines Häuschens am Hafen
und malte ein sehr trauriges Bild,
in traditioneller Weise.
Er malte,
wie sich eine riesige Meereswelle
über einem kleinen Fischerdorf auftürmte.
Und die Boote saßen ganz oben
auf dem mächtigen Wellenkamm.
Darunter purzelten unzählige Menschen und Tiere
und große Bäume
wild durcheinander,
und Häuser fielen in sich zusammen
wie Papierspielzeuge
und wurden weggespült
weit ins Land hinein.
Er hatte gerade den Titel
„Die große Welle“.
fein säuberlich ins Bild
hinein komponiert.
Es fehlten ihm nur noch
das Datum und seine Namenszeichen.
Genau in diesem Moment
brachte die Riesenwelle
das kleine Häuschen
des Malers Hiroki zum Einsturz –
und verschlang es.